Seit 2018 holt der Verein Interkontinental e.V. jährlich im Rahmen des African Book Festivals zahlreiche afrikanische Autor*innen nach Berlin. Die diesjährige Ausgabe des dreitägigen Literaturfestivals findet vom 18. bis 20. Juli in der Alten Münze (Molkenmarkt 2, 10179 Berlin-Mitte) statt. Im Vorfeld haben wir mit Venice Trommer vom Festivalteam darüber gesprochen, welche Neuerungen es dieses Jahr gibt und worauf wir uns ganz besonders freuen können.
Ende letzten Jahres habt ihr einen Kreativbeirat für das African Book Festival gegründet. Was war die Überlegung dahinter, wer sind dessen Mitglieder und wie sehen deren Aufgaben aus?
Venice Trommer: Der Kreativbeirat wurde ins Leben gerufen, um mehr verschiedene (afrikanische) Perspektiven in die Programmgestaltung einzubeziehen. Da wir mit jährlich wechselden Kurator*innen arbeiten, die das Festival noch gar nicht persönlich kennen, kann der Kreativbeirat als Konstante die neue Kuratorin oder den neuen Kurator einführen und beratend zur Seite stehen, aber auch Impulse geben. Die Mitglieder bringen auch ihr Netzwerk an Kontakten zu Autor*innen mit ein und sind aktiver Teil des Programms, indem sie beispielsweise Moderationen übernehmen, die Gastautor*innen willkommen heißen und so weiter.
Dabei leben einige der Mitglieder in Berlin, wie der Journalist Chiponda Chimbelu (Sambia), der Schriftsteller Niq Mhlongo (Südafrika), Autorin, Fotografin und Filmemacherin Ifeatu Nnaobi (Nigeria), und andere auf dem afrikanischen Kontinent wie die Autorin, Übersetzerin und Literaturaktivistin Edwige-Renée Dro (Elfenbeinküste) und der Aktivist und Kulturförderer Kevin Mwachiro (Kenia). Sie alle waren bereits in frühere Ausgaben des Festivals als Gäste oder Moderator*innen involviert.
Das Programm des ABF wird jedes Jahr von einer anderen Kurator*in gestaltet. Wer ist die diesjährige Kuratorin Ivana Akotowaa Ofori und welche besonderen Akzente hat sie beim Programm für das Festival gesetzt?
Venice: Ivana Akotowaa Ofori ist eine ghanaische Geschichtenerzählerin. Sie verwebt Worte zu ganz verschiedenen Formen, darunter Belletristik, Sachbücher und auch Spoken-Word-Poesie. In ihrem Schreiben spielen Folklore, Mythen und das Übernatürliche eine große Rolle. In ihrer Debütnovelle, die pünklich zum Festival auch in deutscher Übersetzung als „Das Jahr der Rückkehr“ erscheint, suchen die Geister der Vergangenheit uns in der Gegenwart heim. Ein gespenstisches Spektakel, Mahnmal für die verschleppten und versklavten Afrikaner*innen und moderner Fantasy-Text zugleich. Entsprechend liegen in diesem Jahr unter dem Motto „IN OTHER WOR(L)DS“ die Schwerpunkte auf Autor*innen aus Ghana und spekulativer Literatur in Form von Mythen, Fantasy, Sci-Fi und magischem Realismus.
Dieses Jahr habt ihr per Open Call explizit Buchclubs aus Afrika eingeladen, zum Festival anzureisen. Warum war euch das wichtig und wie war die Resonanz auf die Ausschreibung?
Venice: Die Einladung afrikanischer Buchclubs war tatsächlich eine der Initiativen, die der Kreativbeirat angestoßen hat. 2022 sind auf eigene Initiative Mitglieder eines Buchclubs aus Südafrika zum Festival angereist. Sie mussten uns allerdings um eine offizielle Einladung bitten, da dies eine Bedingung für die Visumsvergabe darstellt. Dieser Buchclub war das tollste, enthusiastischste Publikum, das man sich vorstellen kann. Jedes Jahr haben wir viele tolle Autor*innen aus Afrika und der Diaspora zu Gast, ihre Bücher reisen an, das Publikum kommt aus allen Teilen Deutschlands, aus anderen Europäischen Ländern und auch mal aus den USA angereist, um ihre literarischen Held*innen zu treffen. Doch den meisten Inhaber*innen afrikanischer Pässe bleibt die Möglichkeit einer touristischen Reise in den Schengenraum verwehrt. So entstand die Idee, Buchclubs explizit einzuladen, sie zum offziellen Teil des Programms zu machen, bei Visumsangelegenheiten zu unterstützen und mit den Deutschen Botschaften in den jeweiligen Ländern zu vernetzen. Denn Leseliebe verbindet über Kontinente hinweg.
Die Resonanz war überwältigend. Uns haben Zuschriften von mehr als 100 Buchclubs erreicht und der Kreativbeirat hatte die schwierige Aufgabe, daraus 16 auszuwählen. Am Festivalsonntag findet morgens ein Book Club Special statt, bei dem es vor allem um Vernetzung und Austausch zwischen lokalen und afrikanischen Buchclubs geht. Interessierte Buchclubs können sich per E-Mail an info@interkontinental.org anmelden.
Was hat es mit dem „Marktplatz“ auf dem African Book Festival auf sich? Was für Aussteller*innen darf das Publikum dort erwarten?
Venice: Neben einer riesigen Festivalbuchhandlung gibt es Design, Kleidung, Schmuck von Schwarzen Unternehmer*innen und kulinarische Leckerbissen.
Was sind die ganz besonderen Highlights und Geheimtipps des diesjährigen Festivalprogramms?
Venice: Super schwierig, etwas auszuwählen. Ich freue mich auf alle Autor*innen. Ein Highlight wird aber die Eröffnungsveranstaltung am Freitagabend. Sie ist in diesem Jahr eine szenische Lesung von „The Year of Return“ / „Das Jahr der Rückkehr“ von Ivana Akotowaa Ofori. Der Schauspieler und Dramaturg Moses Leo hat den Text für die Bühne adaptiert. Am Samstagvormittag findet das interkontinentale Speed-Dating „Welcome to the Other Worlds“ statt, das dem Publikum die Möglichkeit gibt, alle Festivalautor*innen und ihr Schreiben im Gespräch mit den Moderator*innen Edwige Dro und Kevin Mwachiro kurz kennenzulernen, um dann zu entscheiden, welches Book Special und welches Panel auf jeden Fall besucht werden muss.